Tolle Truppe
… damit sollen in diesem Bericht nicht nur die Teilnehmer unserer Herbstausfahrt der Sektion Berlin-Brandenburg gemeint sein, sondern eine Mannschaft, die in wechselnder Besetzung in den Jahren 1939 bis 1945 ihre Gegner narrte: hauptsächlich britische, aber auch holländische und polnische Offiziere, die als Kriegsgefangene auf Schloß Colditz, zwischen Leipzig und Chemnitz in idyllischer Landschaft gelegen, interniert waren.
Am Morgen des 2.10. fuhren wir in Berlin bei perfekt englischem Wetter los. Der Herbstnebel dräute bis kurz vor Leipzig, wo Petrus ein Einsehen hatte und den Rest des Tages in strahlenden Sonnenschein tauchte.
Schon vor einigen Jahren hatte uns eine J.A.G.-Tour in die Umgegend von Leipzig nach Colditz geführt, damals für ein Eis auf den Marktplatz. Ein Artikel von Mike Riedner in einem JAGMAG aus dem Jahr 2005 brachte uns dann auf die Idee, einmal den Sächsischen Wallfahrtsort der Briten zu besuchen, denn es gibt einen Zusammenhang zu Jaguar: Tony Rolt, britischer Flieger, koordinierte den Bau des „Colditz Glider“, einem Segelflugzeug, das die verrückten Briten auf dem Dachboden des Schlosses bauten, und mit dem zwei Gefangene ins Tal, und dann hoffentlich in die Freiheit schweben sollten. Gebaut wurde das Ding aufgrund der theoretischen Erkenntnisse aus Büchern über Aeronautik und Aerodynamik, die sich in der Gefängnisbibliothek fanden, mit „weggefundenem“ Holz und selbst gebauten Werkzeugen. Bespannt mit blau-weiß karierten Bettbezügen. Glücklicherweise kam das Kriegsende und die Befreiung der Gefangenen durch die Amerikaner dem Flugeinsatz zuvor, wenn auch vor einigen Jahren ein britischer Historiker durch Nachbau bewies, dass der Glider geflogen wäre.
Um diese Story zu erfahren, trafen sich am 2.10. zwölf Jaguars und drei Fremdmarken – die Witterung und allfällige Überholungsarbeiten forderten ihren Tribut – auf dem Schlosshof in Colditz, wo wir dank Sondererlaubnis der Leiterin der „Gesellschaft Schloß Colditz“ (www.schloss-colditz.com), Frau Kasten, parken durften. Frau Kasten begrüßte uns im Ornat der Herzogin Amalie, einem reich geschmückten rot-grünen Samtkleid – an sich schon eine Sehenswürdigkeit.
Es fanden sich sieben Teams aus der J.A.G. ein, plus die tolle Truppe jaguarstyle.de von André Lagois, der von Chemnitz aus ebenfalls schöne Veranstaltungen organisiert. So wurde der Schlosshof von wunderbaren Youngtimern – XJ40, X300,X308, S-Type, XJS – verziert, plus die Highlights XJC und Pauline, der vom Jahrestreffen wohlbekannte MK4.
Allgemeine Sympathie war gleich da, und es wurde vereinbart, dass wir zukünftig Veranstaltungen zusammen planen, um das Thema Jaguar weiteren Kreisen bekannt zu machen und gemeinsam Spaß und Teamgeist zu erleben.
Frau Kasten hatte für uns auch eine Ausnahme bei der Führung möglich gemacht, denn normalerweise bietet der Verein die zweistündige „Extended Tour“ nur in englischer Sprache an! Und als alle Teilnehmer beisammen waren und der Sektionsleiter auseinanderorganisiert hatte, wer deutscher Jaguar-Fan war, und wer – bei angelsächsischer Nationalität – nur annahm, der Typ mit Liste und J.A.G.-Wappen auf der Weste sei der Guide, entschuldigte sich unsere äußerst kompetente und liebenswerte Führerin Frau Schubert erst einmal dafür, dass möglicherweise Wortfindungsstörungen auftreten könnten. Sie mache die Führung ja sonst ausschließlich auf Englisch…
Es würde diesen Rahmen sprengen, den Einfallsreichtum der Gefangenen, gepaart mit Wagemut, Ingenieurswissen und britischem Humor darzustellen, mit dem die Insassen des OFLAG IV C versuchten, auszubrechen und die deutschen Bewacher immer wieder aufs Neue narrten. Frau Schubert gab diese Stories auf eine Weise wider, dass wir wiederholt in lautes Gelächter ausbrachen. Soweit wir noch Luft hatten, denn es waren 110 Stufen bis in den Turm zum Nachbau des „Colditz Glider“.
Frechheit siegt halt, und man sollte nichts wegwerfen, denn man kann alles immer irgendwie und irgendwann gebrauchen. Bei einer der Führungen zog ein alter Herr sogar mal etwas aus der Tasche, das sich als selbstgebauter Dietrich für eine der Türen herausstellte. Funktionierte nach über 50 Jahren noch!
Leider sind mittlerweile durch den Zeitablauf keine Insassen des Lagers mehr am Leben, um so höher ist das Engagement des Vereines einzuschätzen, die Erinnerung an eine schreckliche Zeit hochzuhalten, von der aber in diesem Falle mit viel Humor berichtet werden kann. Interessant ist auch, dass immer wieder bei den anstehenden Restaurationsarbeiten Artefakte gefunden werden, denn die Versteckmöglichkeiten waren vielfältig…
Die Führung ging viel zu schnell rum, und schon waren wir unterwegs zum Waldhaus Colditz, wo wir uns für die Weiterfahrt stärkten. Übrigens war dieses Restaurant im 2. Weltkrieg eine der Kneipen, wo man durchaus einen britischen Offizier beim Bier antreffen konnte, der sich dort mit höchstoffizieller Erlaubnis gemäß der Genfer Konvention aufhalten durfte!
Um die Kalorien wieder abzutrainieren, fuhren wir auf Umwegen – teilweise geplant, teilweise baustellenindiziert – zur historischen Wassermühle in Grimma/Höfgen, wo es Kaffee und Kuchen gab.
Wir hatten die Strecke durch idyllische Lande ausgesucht auf der Basis, möglichst viele schöne Ortsnamen wie „Thumirnicht“, „Podelwitz“, „Seidewitz“, „Marschwitz“ usw. zu erleben. Die Endung „-witz“ hat allerdings nichts mit lustigen Erzählungen zu tun, sondern ist ein ursprünglich slawisches Suffix, das auf den Gründer des Ortes verweisen soll.
In Höfgen galt es dann nach ausgiebigen Benzingesprächen auf dem Parkplatz Abschied zu nehmen von den Jaguar-Freunden aus der Region, die nicht im Hotel Kloster Nimbschen übernachten wollten. Wir freuen uns jetzt schon auf das Wiedersehen!
Der Rest unserer Gesellschaft fand sich dann in dem weitläufigen Areal des Hotel Kloster Nimbschen ein (www.kloster-nimbschen.de), einem tollen Hotel, dessen tolle Truppe einen Großteil zum Wohlfühlcharakter der Veranstaltung beitrug: hervorragendes Essen in elegant-ländlicher Atmosphäre, ein lustiger Bowling-Abend samt unserer persönlichen Bedienung, sehr ruhige Zimmer und ein leckeres Frühstück am Tag der Deutschen Einheit. Nicht zuletzt sehr hilfreiche Unterstützung bei der gesamten Planung.
Das Klosterhotel hatte zudem offensichtlich Verbindungen zu Petrus, dem Jaguar-Fahrer, denn nur am Tag vor unserer Ausfahrt war das Wetter unseren schönen Autos angemessen. Dabei mussten wir doch den Termin einen Tag nach hinten verlegen, da am ursprünglichen Datum das Hotel durch mehrere Hochzeitsgesellschaften belegt war. Glück für uns!
Am Tag der Einheit verabschiedeten sich die Teams nach dem Frühstück, um in die diversen Himmelsrichtungen auszuschwärmen, nicht, ohne noch ein Foto der Katzen vor dem Hotel anzufertigen.